Interview mit Betty aka Farbhase Fotografie
Wer bist Du und warum bist du zur Fotografie gekommen?
Hey, mein Name ist Betty, auch bekannt als Farbhase Fotografie. Ich bin Fotografin für alle Farben und Formen der Liebe und das auch nicht ohne Grund. Bei mir sind alle Menschen willkommen, ich urteile nicht nach Größen, Farben, Geschlecht, Religion oder sonstigen vermeintlichen Kriterien. Sei kein böser Mensch und ich empfange dich mit Liebe und offenen Armen.
Schon als kleiner Stöpsel habe ich sehr gerne Fotoalben durchstöbert und meine Eltern mit Fragen darüber gelöchert, wer auf den Fotos zu sehen ist oder wo diese entstanden sind. Ich wollte stets fotografieren und war total glücklich, wenn ich die analoge Kamera meiner Eltern nutzen durfte. Wie aufregend es war die entwickelten Fotos abzuholen! Als Teenie habe ich dann eine kleine Digitalkamera bekommen und habe ab dem Zeitpunkt jede Party, jeden Spaziergang, jedes Erlebnis dokumentiert. Schon damals hab ich verstanden wie wichtig diese fotografischen Erinnerungen sind - und hier liegt auf jeden Fall eines meiner „Warums“.
Als es an die Berufswahl ging stand ich vor der Entscheidung „Fotografenausbildung oder Kommunikationsdesignstudium“ - ich habe mich für letzteres entschieden (weil ich etwa 50% des Studiums mit Fotografie vollknallen und somit gleich zwei kreative Berufe erlernen konnte), mir meine erste digitale Spiegelreflexkamera zugelegt und jede Gelegenheit dafür genutzt Erinnerungen zu erschaffen.
Es kamen die ersten unbezahlten Aufträge rein (Konzertfotografie, bis heute etwas, was ich wahnsinnig liebe), ich bot an Veranstaltungen fotografisch zu begleiten, fotografierte immer und immer wieder Menschen und siehe da, hier stehe ich, über ein Jahrzehnt später, und darf viele Seelen mit meiner Leidenschaft glücklich machen. Mein zweites Warum!
Wenn Du Deine Fotografie in 3 Worten beschreiben solltest, welche wären es:
1 unverfälscht
2 gefühlsbetont
3 beobachtend
In deinen Bildern drückst du viel Liebe zur Selbstliebe aus – wie bist du dazu gekommen? War das schon immer dein Fokus?
Ich glaube, mein Fokus war irgendwie immer schon die Liebe an sich. Gestartet hat es mit der Liebe zu Momenten und Musik, auch dem, was Musiker auf der Bühne für ihre Zuhörer:innen zaubern. Die Selbstliebe kam deutlich später dazu. Ich habe früher – wie es so typisch war zu meiner Jugendzeit – viele Selfies gemacht und mich auch sehr gern fotografieren lassen – sicher auch, weil ich mit meinem Aussehen und meinem Körper im Großen und Ganzen sehr zufrieden war.
Irgendwann hat sich mein Körper anders entwickelt, ich habe weniger Sport gemacht und weniger auf mich geachtet, wurde „mehr“ und merkte, dass ich Fotos von mir ganz oft gar nicht mehr mochte – weil ich mich nicht mehr schön fand. Das wurde mir von außen ebenso gespiegelt: In dem Outfit sieht man die Röllchen am Bauch, auf dem Foto hast du ein Doppelkinn, dort hast du einen dicken Po, solche Fotos sind nicht schön, dann lieber gar keine Fotos. Das alles führte zu einer großen Unsicherheit. Jedoch hatte ich weiterhin den Wunsch mein Leben fotografisch festzuhalten, jeden Urlaub, jede Feier, den Alltag. Es wurde aber weniger. Der Fokus verschob sich auf andere Menschen, ich war weniger Teil meiner eigenen Reportagen.
Und die Traurigkeit darüber wuchs enorm. Dieses Leben, welches wir jetzt führen, haben wir nur dieses eine Mal (unabhängig von dem Glauben an das, was danach kommt oder auch nicht). Ich möchte mich erinnern können und ich möchte Teil davon sein. Mir blieb also nichts anderes übrig als mich wieder in mein fotografisches Leben zu integrieren und ich entschied, mich auch regelmäßig von anderen Fotograf:innen fotografieren zu lassen – wie zum Beispiel auch von dir, aber dazu später mehr.
Parallel zu dieser Entwicklung und meiner beruflichen, fotografischen Laufbahn stellte ich immer öfter fest, dass es wahnsinnig vielen Menschen – meist weiblich gelesenen Personen – genauso geht wie mir. Ich hörte „Ich bin hässlich.“, „Ich bin zu dick für Fotos.“, „Ich bin unfotogen.“, „Ich hasse Fotos von mir.“ weit öfter als mir lieb war. Mir brach das Herz so etwas zu hören, auch in dem Wissen, dass ich all das auch schon über mich gesagt habe. Diese Menschen und ich fühlten gleich und es war klar, dass ich daher diese Sorgen, Ängste und Unsicherheiten nachempfinden und helfen konnte, sie ein stückweit zu heilen.
Wenn wir es schaffen unverfälschte, wahrhaftige, intensive Momente zu erschaffen in denen wir die Menschen vor unserer Linse einfangen, mögen sie sich auf diesen Fotos nämlich trotz ihrer vermeintlichen Makel. Und diese Erfahrung ist heilsam! Es kommt ein Stück Selbstvertrauen, Mut und Selbstakzeptanz zurück. Das kann ich aus meiner eigenen Erfahrung bestätigen. Jede:r hat tolle Fotos von sich verdient, jede:r ist schön, jede:r ist fotogen und jede:r sollte Fotos von sich haben um die Erinnerung an das eigene Leben stets wieder lebhaft zurückholen zu können.
Hast du das Gefühl, du müsstest dich entscheiden, in welche Richtung deine Fotografie sich entwickelt?
Das ist eine Frage, über die ich länger nachdenken musste. Ich habe durchaus das Gefühl, dass ich nicht alle Unterthemen meiner Fotografie zusammen präsentieren kann – wie beispielsweise Boudoirsessions und Konzertfotografie. Das sind zwei sehr unterschiedliche Bereiche und derzeit habe ich nicht die Kapazität beides unabhängig voneinander gleichermaßen nach außen zu tragen. Bei aller Leidenschaft für die Fotografie führe ich ein Unternehmen und lebe davon, sodass ich natürlich auch darauf angewiesen bin, meine Kund:innen anzusprechen. Womit ich direkt zum zweiten Punkt komme: ich wünsche mir für das, was ich repräsentiere, gebucht zu werden. Also habe ich ein kleines Wesen auf meiner Schulter, welches mir sagt, dass ich eine Konstanz bieten muss in meiner Bildsprache und meiner Bearbeitung, die vielleicht weniger Raum für Entwicklung lässt. Auf der anderen Seite entwickeln wir uns alle immer irgendwie weiter und das ist nichts Schlimmes – was das andere kleine Wesen auf der Schulter mir sagt. Ich verändere mich und meine Arbeit nicht von heute auf Morgen, sondern über die Zeit. Ich beantworte die Frage also mit einem klaren Jein!
Was ist dein nächstes oder aktuelles Projekt?
Es gibt derzeit zwei Projekte. Das eine ist weiter fortgeschritten, das Zweite noch in meinem Kopf.
Bei ersterem handelt es sich um das Thema „Alternative Hochzeiten“. Ganz oft höre ich „Wir können dieses oder jenes nicht machen, weil…“ 1. die Verwandtschaft es doof findet und 2. nicht die passenden Dienstleister:innen gefunden werden konnten.
Bei ersterem handhabe ich es wie bei meinen Selbstliebe-Sessions: ich rate den Paaren das zu tun, was sie sich von Herzen wünschen. Eine Hochzeit feiert man in der Regel selten und warum sollte man sich beispielsweise ein weißes Kleid anziehen, nur weil Oma Gerda ein schwarzes oder quietschbuntes Kleid missfallen würde? Eben.
Bei zweiterem habe ich festgestellt: es gibt einige Dienstleister:innen die liebend gern von der Norm abweichen und die Nerds und Feen und Goths und Gamer und, und, und an ihrem großen Tag begleiten – nur diese zu finden ist eine Quest für sich. Selbige Erkenntnis hatte auch mein lieber Kollege DJ Headcrack und gemeinsam arbeiten wir nun an einem Netzwerk für Hochzeiten fernab vom Mainstream – Hell Yes! Weddings. Das wird großartig!
Das Zweite Thema bzw. Projekt in meinem Kopf ist eins, welches du kennst: Menschen in ihrer Natürlichkeit, Zerbrechlichkeit, Stärke und wundervollen Individualität zu präsentieren. Schon lange möchte ich einen Kalender, einen Bildband oder ähnliches rausbringen, in dem ich Frauen in all ihrer Echtheit zeige. Mit Narben, mit Dehnungsstreifen, mit schiefen Nasen, großen Ohren, mehr oder weniger Gliedmaßen als üblich, klein, groß, hell, dunkel, dick, dünn, … Mir schwebt vor sie unbekleidet an verschiedenen Orten, mit verschiedenen Elementen abzulichten, das ganze jedoch nicht mit einem erotischen Hintergrund, sondern losgelöst von Bewertungen und vielmehr hin zum Verbund mit sich selbst, dem Sein und der Natur. Ähnlich zu dem, was du bei deinem „Wild Women“ Projekt erschaffen hast (wo ich liebend gerne dabei gewesen wäre, wenn ich dich da schon gekannt hätte!)
Diese seit langem in meinem Kopf lebende Vision so in Worte zu fassen, dass Außenstehende eine Vorstellung davon haben, was sie erwartet, ist gar nicht so einfach. Aber wer sich davon angesprochen fühlt, darf sich schon jetzt gerne bei mir melden. An der Ausgestaltung, die über die reine Fotografie hinaus geht, feile ich noch ein bisschen. Ich glaube allerdings fest daran, dass in diesem Projekt und den Teilnehmerinnen eine große Stärke lieg, die präsentiert werden sollte!
Ich weiß, dass Musik eine deiner weiteren Leidenschaften ist. Welchen Song würdest du mit welchem Bild von Dir verbinden? Zeigst Du es uns?
Das stimmt, ohne Musik könnte ich nicht leben. Manchmal habe ich ein Lied im Ohr, wenn ich ein Foto schieße, manchmal kommt es erst später zu mir, manchmal bleibt es aber auch still. Oft habe ich einen bestimmten Song zu einer Person und einer Fotosession im Kopf.
Bei diesen Bildern spielt der Ton in meinem Inneren sofort ab:
Ein Selbstportrait:
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Stell Dir vor, du triffst dein jüngeres Ich – welchen einen Rat würdest du ihm mit auf den Weg geben?
Du bist wertvoll, vergiss das niemals, egal, was von außen auf dich einprasselt.
Wer sind Deine fotografischen Vorbilder?
Ich glaube Vorbilder im klassischen Sinn habe ich nicht, viel mehr Quellen der Inspiration. Vielleicht liest es sich seltsam, aber seit dem ersten Moment, in dem ich deine Fotos gesehen habe, war da eine Begeisterung für dich und deine Kunst. Und diese motiviert mich zusätzlich meine Umwelt künstlerischer darzustellen!
Ich mag vieles von dem, was Annie Leibovitz tut, Peter Lindberghs Arbeiten finde ich sensationell, auch Rankin oder Kristian Schuller finde ich sehr inspirierend. Seán Bell ist ein schottischer Hochzeitsfotograf dessen Arbeiten mich immer wieder umhauen. Kürzlich bin ich über Kim Aßheuer aka Kim Wildfriedsson gestolpert und war auch direkt schockverliebt. Eine bunte Mischung wie du siehst.
Du bist auch Teil meines Projekts „Ungeschminkt“ – was hat dich dazu gebracht, dich daran zu beteiligen?
Wie ich schon schrieb, hat mich deine Fotografie von Anfang an begeistert und ich habe mir sehr schnell vorgenommen, mich irgendwann von dir fotografieren zu lassen. Eben auch explizit deswegen von dir, weil du ganz ähnliche Werte vertrittst, wie ich und wir beide die gleiche Mission haben: Menschen in ihrer wunderbaren Vielfalt zu portraitieren.
Als der Aufruf zu deinem Projekt kam war ich sofort Feuer und Flamme! Genau mein Thema und genau das, was ich brauchte: mich so festhalten zu lassen, wie ich gerade war, auch wenn ich einiges an mir anders hätte haben wollen. Ich wusste, dass du die nötige Ruhe und das Feingefühl mitbringen wirst, um mich wahrhaftig abzubilden. Und das hast du natürlich auch geschafft. Ich bin sehr glücklich dich kennengelernt zu haben und Teil dieser wundervollen Serie sein zu dürfen. Danke!
Danke, liebe Betty für dieses wunderbare Interview mit dir.
Es ist so schön, dich zu kennen. <3
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